Gründerin Nina Woicke darüber, wie der Austausch in einer Gruppe ihr helfen konnte.
Wer bist du und was machst du mit deinem Start-up?
Ich bin Nina, freischaffende Ingenieurin, und helfe Firmen, ihre Kunststoffprodukte besser zu machen.
Was treibt dich täglich aufs Neue an?
Ich habe mich letztes Jahr mit Hilfe des WES sehr intensiv mit meiner Mission und Vision auseinander gesetzt, weil ich gemerkt hatte, dass das alles noch sehr nebulös war. Diese Auseinandersetzung war für mich echt wichtig. Am Schluss habe ich das dann in einem „Slogan“ zusammengefasst: „Inspirierte Entwicklungen gestalten die Qualität der Zukunft“.
Ich denke, wir alle wollen eine qualitativ hochwertige Zukunft. Tatsächlich glaube ich, dass wir die nur mit Produkten haben können, die zumindest teilweise Kunststoff enthalten. Aber gleichzeitig haben wir als Gesellschaft diesen Werkstoff in den letzten Jahrzehnten so sehr abgewertet, dass Nutzer Kunststoffprodukte oft schon im Kaufprozess als Müll oder Ramsch empfinden.
Ich möchte mit meiner Arbeit daran mitwirken, dass Kunststoffprodukte wieder von Hersteller- und Nutzerseite den Wert bekommen, die sie verdienen. Meiner Meinung nach müssen die Produkte der Zukunft ihre Wertigkeit von innen „ausstrahlen“. Für eine solche Veränderung braucht es aber etwas, das ich „Inspiration“ nenne. Damit die entsteht braucht es in diverser Zusammenarbeit die Interaktion von Kreativität, Wissen und Leidenschaft. Bei solchen Inspirationen mitzumachen, das treibt mich an.
Wie bist du auf deine Gründungsidee gekommen?
Ich war als Produktentwicklerin und Kunststoffspezialistin fast 20 Jahre lang angestellt tätig. Das hat Vor- und das hat Nachteile. Ich bin dann an einen Punkt in meinem Leben gekommen, an dem ich herausfinden wollte, ob ich das, was ich in dieser Zeit gelernt habe, auch dafür nutzen kann, um in Eigenregie meine Dienste anzubieten. Ich wollte der oben beschriebenen Vision folgen können und das geht selbstständig deutlich einfacher. Deswegen bin ich diesen Schritt gegangen.
Oft wird das angestellte und das selbstständige Arbeiten in Kontrast gesetzt. Ich persönlich sehe das nicht so gegensätzlich. Ich war lange Zeit gerne Mitarbeiterin und zur Zeit bin ich sehr gerne selbstständig.
Was machst du anders als andere? Wie beschreiben dich deine Freunde und dein Umfeld?
Ein (Ex-)Kollege hat mal gesagt, dass ich mich schnell in neue Fragestellungen einarbeiten kann. Ich denke, das stimmt und das hilft mir aktuell sehr stark. Für mich ist es auch wichtig, dass es mehr als eine Perspektive gibt. Wenn man andere Blickwinkel zulässt, dann entdeckt man oft erstaunliche Dinge.
Ich liebe abstrakte Ideen, aber auch gleichzeitig konkrete Lösungen. Außerdem bin ich ein klarer Verfechter dafür, dass Prozesse nicht unendlich lange dauern dürfen. Irgendwann muss man Entscheidungen treffen, auch wenn es potentiell noch eine bessere Lösung geben könnte. Ich denke, diese Eigenschaften helfen mir bei der Selbstständigkeit.
Ich greife aber im Grunde auf die gleichen bewährten Arbeitsmethoden zurück wie auch andere Produktentwickler. Man bringt mit seiner Persönlichkeit immer eine individuelle Komponente in ein Projekt, aber ich glaube nicht, dass man immer alles anders machen muss, um zum Erfolg zu kommen.
Was war bisher deine größte Herausforderung? Und wie hast du sie gemeistert?
Die größte Herausforderung aus meiner Sicht ist, nicht immer die eigenen Erwartungen erfüllen zu können. Ich habe am Anfang überoptimistisch so etwas wie einen Businessplan gemacht. Auch wenn ich aus langjähriger Erfahrung wusste, dass solche Pläne nie so eintreten, macht es doch einen Unterschied, wenn es das eigene Unternehmen betrifft. Da fragt man sich sehr schnell, ob die eingeschlagene Richtung korrigiert werden sollte.
Ich habe den Eindruck, dass im Gründungsumfeld die Erfolge nach außen hin überbetont werden. Dadurch kann man den Eindruck bekommen, alle anderen Gründer wären immer genau im Plan. Ich verstehe die Idee dahinter. Man will ja nicht unbedingt das präsentieren, was alles nicht klappt. Aber dadurch vergleicht man sich dann nicht mit der echten Realität. Das hat mir insbesondere im ersten Jahr zu schaffen gemacht.
Für mich war es deswegen extrem hilfreich, einer Mastermind-Gruppe des WES beizutreten und in einer geschützten Gruppe auch über alle Themen reden zu können. So habe ich die Unterstützung und konstruktives Feedback bekommen, welches mir geholfen hat. Auch bei anderen läuft nicht alles rund und bei einem selbst funktioniert vielleicht mehr als man sich zugesteht. Auf diese Weise habe ich ein viel besseres Gleichgewicht gefunden.
Was ist für dich das schönste daran, Gründerin zu sein?
Ich kann alle Entscheidungen so treffen, wie ich es für richtig halte. Das bedeutet nicht, dass die immer super sind, aber ich genieße das total.
Ich kann auch mal Dinge ausprobieren, selbst wenn sie vermutlich nicht viel finanziellen Vorteile bringen. Früher habe ich so was im beruflichem Kontext nicht gemacht, weil ich dachte, dass das meinem Arbeitgeber zu wenig bringt. Außerdem war ich so im Tagesgeschäft eingespannt, dass ich ziemliche Scheuklappen aufhatte.
Aber gerade für den kreativen Prozess ist es wichtig, regelmäßig aus der „Box“ auszusteigen. Jetzt kann ich das machen, ohne dafür irgendwen direkt fragen zu müssen und merke, dass meine Arbeit dadurch an Qualität gewonnen hat. Letztes Jahr habe ich mich zum Beispiel mit der „Miura-Faltung“ beschäftigt. Da geht es um faltbare Strukturen bzw. Konzepte, die auch für Sonnenkollektoren von Satelliten eingesetzt werden. Es gab kein konkretes Projekt dazu, aber ich habe in dem Moment entschieden, dass ich das machen wollte.
Ist es schlimmer zu versagen oder es nie versucht zu haben?
Die Frage fängt eigentlich damit an, was eigentlich „Versagen“ bedeutet. Ich denke in unserer Welt sind die wirtschaftlichen Zahlen immer im Vordergrund. Klar, ein Geschäftsmodell muss sich tragen (sonst ist es eben kein Geschäft), aber ich finde es nicht gut, dass oft nur in diese Richtung gedacht wird. Es gibt ganz sicher auch Erfolge, die sich nicht in monetären Dimensionen messen lassen und die muss man mit in die Bilanz einbeziehen.
Gleichzeitig bin ich nicht der Meinung, dass man unbedingt alles ausprobieren muss, nur weil man es theoretisch könnte. Ich war beispielsweise noch nie Bungee-Springen. Ich habe nicht das Gefühl, dass das zu mir passt. Es kann sein, dass ich mich irre, aber damit kann ich gut leben. Das bedeutet aber auch nicht, dass ich es nie machen werde. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt.
Ich versuche nach der Maxime zu leben, einmal gemachte Entscheidungen nicht zu bereuen. Ich versuche deshalb, insbesondere größere Entscheidungen „mit Herz und Verstand“ zu treffen. Das habe ich bisher weitestgehend auch so geschafft. Das heißt nicht, dass ich nicht Strategien überdenke und andere Wege einschlage, wenn das Ergebnis nicht wie erhofft ausfällt.
Um jetzt endlich die Frage konkret zu beantworten: Beides ist nicht schlimm. Aus meiner Perspektive kann nicht alles gelingen und können wir auch nicht alles machen. Beides gehört zu einem Leben dazu und sollte nicht bereut werden.